2012/06/30

die Uromma

 Vor ein paar Tagen wurde mein Mann 35. Das musste natürtlich gefeiert werden! Mit der Feier des Jahrhunderts! Mit einer so wilden Sause, dass das Studio 54 hätte einpacken können, würde es noch existieren.  Exzess, Rausch, Apokalypse! So ähnlich-es wurde bei seinen Eltern im Garten gegrillt. Eingeladen waren wir, meine Eltern, meine Schwester und seine Oma. 
Dazu muss man wissen, dass seine Oma mit ihren 89 Jahren leicht an Demenz erkrankt ist, was dazu führt, dass sie nicht mehr so richtig auf dem Schirm hat wer in dieser Familie mit wem verheiratet ist, und zu wem welche Urenkel gehören. Das gab schon schöne Verwechslungen! Schön war auch die Frage an meinen Mann, ob er denn schon eine Freundin hat ("Oma, ich bin verheiratet."),oder ob er denn noch andere Kinder mit anderen Frauen hat (würde mich auch interessieren!). 
Ursprünglich aus Berlin, konnte sie dem Landleben nie viel abgewinnen "Hier ist ja nüscht los, NÜSCHT!", und seit sie auch noch im Heim lebt, schwankt der Gemütszustand zwischen euphorisch "Leute, was ham wirs wieder gut, was ham wirs gut!" (beide Arme in der Luft), und angewidert "ach, im Heim, da sitzen ja nur so olle Tanten, alle total dusselig, und keine vernünftigen Männer- alt werden macht keinen Spaß, sag ich Euch!" Was sie aber nie, wirklich nie, vergisst, ist, dass sie meinen Vater äusserst attraktiv findet. Und zwar so, das ich mich frage ob ihr klar ist, das er verheiratet ist. Und zwar mit meiner Mutter. Und so fanden wir ihre Geburtstagsansprache auch äusserst gelungen: "Ich trinke auf den einzigen richtigen Mann am Tisch!" Mein Mann setzte gerade dazu an sich geschmeichelt zu bedanken, als sie noch hinterherschob: "Also, ein Hoch auf Herrn S.!" Völlig genervt raunte meine Schwiegermutter: " Das ist der Geburtstag von Deinem Enkel! Und ausserdem sitzen hier jawohl noch mehr richtige Männer mit am Tisch." Mein Mann und mein Schwiegervater lächelten schon erleichtert, als die Oma nur triumphierend antwortete "Jaa, aber nicht in  meinem Alter!" Haha! Sorry Papa. Natürlich blieb ich auch nicht lange verschont: Wie alt bist Du denn jetzt geworden, Enkel?" - "35." -"35? Ich dachte, du wärst höchstens Mitte 20! Da hast Du dir aber einen jungen Mann geangelt, Blinki." "Och ja, ich bin ja quasi nur ein Jahr....." - "Du könntest ja praktisch seine Mutter sein!" SEINE MUTTER? Ich muss doch sehr bitten! Gut, seit der Geburt von Levi hab ich vielleicht ein, zwei Augenringe mehr, und die Haare sind auch nicht immer gemacht... aber seine Mutter? Ich schiebe es auf ihre schwindende Sehkraft und ungünstige Lichtverhältnisse....Schwamm drüber. 
Ihren jüngsten Urenkel findet sie auf jeden Fall entzückend, und das ist doch das wichtigste, oder?


2012/06/25

Stimmen aus der Gruft

..glaubten mein Mann und ich in den letzten Tagen zu vernehmen. Doch dann stellte sich heraus: wir hatten völlig unnötig Angst im Dunkeln gehabt, das Gekrächze kam von unserem Kind! Levi hat die tiefen Töne für sich entdeckt. Fast schon eine Erleichterung, nachdem er zuvor in den allerhöchsten Quietschlauten auf den Spuren von Montserrat Caballé wandelte. Jetzt also Darth Vader.
Leider hat der Kleine sich bei mir mit Schnupfen und Husten angesteckt, und als aus Darth Vader ein heiserer Darth Vader wurde, haben wir ihn kurzerhand eingepackt und sind zu unserem Kinderarzt gefahren. 
Dort angekommen, hatte der nette Doktor direkt Zeit für uns, und um noch mehr Zeit zu sparen, habe ich ihm, während mein Mann peinlich berührt ein Loch in den Boden starrte, direkt meine eigene Diagnose unterbreitet: "eine Grippe! Nein, warten Sie, ich korrigiere- ein grippaler Infekt. Ich schlage vor...." "Mooooment, der Arzt bin immer noch ich, und ich untersuche Ihren Sohn jetzt mal, und dann teile ich Ihnen meine Diagnose mit, ok?" Na gut...
Dazu muss man wissen, dass ich schon seit vielen Jahren den Hang zur Selbstdiagnose habe, und den Ärzten auch gerne direkt die in meinen Augen angemessene Therapie vorschlage. Das kommt immer nur mässig gut an. Unvergessen ist der Tag, als ich einem Neurologen zuraunte: "Ich verlange schnellstens eine Computertomographie. Ich vermute einen Gehirntumor! " Woraufhin er trocken antwortete. "Junge Dame, sie schauen zu viel fern. Sie müssen mehr Sport machen und kaufen sie sich eine Nackenrolle." Damit wurden die Beschwerden dann tatsächlich schlagartig besser. Aber es hätte ja sein können!
Wie sagt man so schön: Lassen Sie mich Arzt- ich bin durch!

PS: Levi geht es schon viel besser. Und es wurde eine Virusinfektion diagnostiziert. Hätte ich auch gekonnt...

2012/06/24

Was macht man, wenn...

...man unbedingt das EM-Viertelfinale England-Italien sehen möchte, das Baby aber krank und zahnend nur auf  Mamas Arm schlafen will? 
Genau- man legt sich Abends um sieben mit dem Kind ins Bett und lässt sich später von seinem Mann das Ergebnis zuflüstern. Gute Nacht! 

Ps: Nichts für ungut Levi, ich mache das gerne, aber das bekommst du natürlich zurück. Ich halte schonmal deine schönsten Kackgeschichten für deine erste Freundin parat! 

2012/06/21

Casa Blinki: Levis´ Zimmer




Vor ein paar Tagen hatte ich ein wundervolles Buch in der Post:
liebe Freunde aus Hamburg haben ein kleines, feines Einrichtungsbuch für Kinderzimmer gefunden und mussten an mich denken. Ich bin total begeistert und beim durchblättern fast verrückt geworden-so viele tolle Ideen! 
Dazu muss man wissen: wenn ich jetzt nochmal Zwanzig wäre, und mich für einen Beruf entscheiden müsste, kämen für mich nur drei Karriereoptionen in Frage: Rechtsanwältin, Adelsexpertin beim ZDF, oder eben Interior Designerin. Letzteres am liebsten, obwohl ich mir als Adelsexpertin auch große Chancen ausrechne. Erst gestern erreichte mich folgende SMS: "Hallo. Nur kurz, Du bist mein Telefonjoker: Wie lautet Kate Middletons neuer Name nach der Hochzeit? Bis Morgen! M." 
Ts, das ist für mich allerhöchstens die 500 Euro Frage!
Zurück zum Thema: Ich liebe Trödelläden, ich liebe ebay und ganz besonders liebe ich Flohmärkte. Und ich bilde mir dazu auch noch ein, ein geschicktes Händchen für das arrangieren meiner Schnäppchen zu haben. Denn viel Geld zum Ausgeben haben wir selbstredend nicht! Und so ist unsere Wohnung ein Sammelsurium aus geerbten Antiquitäten, Flohmarktfunden und den obligatorischen Ikea- Basics. Ich kann mich auch stundenlang mit Stoffen, Farben, Möbeln, der eigenen Einrichtung, der Einrichtung anderer Leute, Einrichtungsblogs, Einrichtungsbüchern und und und beschäftigen.You get the picture!
Mein Mann kann es einfach nicht fassen, dass ich, während er beispielsweise etwas über die Griechenlandkrise faselt, gebannt einen Punkt hinter seinem Rücken fixiere und dann sage: "Die Vase steht falsch. Wieso steht die Vase falsch? Ich fass´es nicht, dass die Vase falsch steht!" 
Manchmal macht er sich einen Spaß daraus Dinge zu verrücken und zu vertauschen, nur um zu gucken ob ich das merke. Natürlich merke ich das! Schlimmer noch, es macht mich ganz nervös! Vielleicht, ganz vielleicht, bin ich da auch schon mal leicht ausgerastet...
Egal, langer Rede kurzer Sinn: aus aktuellem Anlass möchte ich Euch heute deshalb Levis´ Zimmer vorstellen. Denn, wie Ihr Euch denken könnt, hat mir hier das Einrichten ganz besonders großen Spaß gemacht. Enjoy!

PS: Kates' neuer Name lautet:  Catherine Mountbatten-Windsor, Duchess of Cambridge

2012/06/18

2 Begegnungen am Morgen

"Entschuldigense, ich suche die Nr. 42?" "Ach, das ist das Ärztehaus an der Ecke, da muss ich auch gerade hin. Kommen Sie doch einfach mit!" "Sehnse mal, meine Krampfadern-alles voll. Die gehen schon auf hier, sehnse? Da hab ich gekratzt."
"Ui, seh ich. Jau, kratzen dürfen Sie nicht!" 
"Hm hm...die habe ich nach meinem achten Kind bekommen. Hat ja heutzutage keiner mehr, soviele Kinder, die meisten schaffen höchstens so zwei, drei..." "Jau, acht Kinder, das ist viel. Wahnsinn! Da haben Sie doch bestimmt schon Enkel!" "Enkel? Ich hab sechs Urenkel!" "Hui! Sechs Urenkel, toll!" "Jaja...mir is ja der Mann weggelaufen, da war ich alleine mit den acht Kindern. Hab Tag und Nacht gearbeitet und Rente gibt dafür auch kaum. Und jetzt die Krampfadern, die gehen schon auf, sehnse? "Mit acht Kindern alleine-bewundernswert. Ich hab nur eins!" "Abgehaun is der, den hab ich nie wieder gesehen." "Unglaublich. Mein Mann ist gerade mit dem Baby zuhause. Der hat Elternzeit." 
"WAT HAT DER? Sachen gibts heute, dat gibs nich."


"Haaallo Tschuldigung. Möchte nicht stören, aber so wie Sie gehen, haben Sie mit fünfzig nen Hüftschaden!" "Bitte?" "NEN HÜFTSCHADEN! Hatte mein Sohn auch, alle zehn Jahre muss das jetzt gemacht werden. So ne künstliche Hüfte ist kein Spaß!" "Ja, also...." "Sie müssen zu nem wirklich guten Orthopäden gehen, das ist ganz dringend so wie sie laufen. Sind Sie eigentlich schwanger?" "Nein, wieso?" "Och, nur so. Schönes Kleid, tschüssi!"

2012/06/15

Mutter sein


Schon lange bevor ich schwanger wurde, habe ich überall die gleichen Floskeln über das Mutterwerden gehört und gelesen: es ist eine dich umwerfende, bedingungslose Liebe; es ist als ob eine Hälfte deines Herzens jetzt ausserhalb deines Körpers herumläuft; es ist nichts mehr wie vorher. Diese Aussagen kamen mir immer vor wie leicht verklärte Mythen von der deutschen Mutter und ziemlich übertrieben. Jetzt, wo ich selber Mutter bin, muss ich feststellen: es IST eine bisher ungekannte Liebe und es IST als ob ein Teil meines Herzens jetzt ausserhalb meines Körpers herumläuft (Obwohl "herumlaufen" in diesem Fall wirklich stark übertrieben ist). Denn plötzlich ist man bereit, für so ein kleines Wesen wirklich alles zu tun, und ist in der Lage zu einer völlig ungekannten Selbstlosigkeit und Fürsorge. Ich zumindest. Nächtelang kaum Schlaf? Kein Problem! Völlig fremdbestimmt sein? Ist ok!
Und es ist nichts, aber auch wirklich nichts mehr wie früher.
Plötzlich  rühren mich Neugeborene auf eine ganz neue Art und Weise. Und auch ältere Kinder. Wenn ich schlimmes in den Nachrichten sehe oder lese, bei dem Kinder zu Schaden kamen, geht mir das viel näher als früher. Obwohl ich auch da nicht gerade ein Herz aus Stein hatte. Jetzt denke ich sogar bei einem 45jährigen, tätowierten Hells Angel, der was auf die Mütze bekommt: Oh nein, das ist doch jemandes Sohn, die armen Eltern!
Der Weg zum Wunschkind war bei uns aber auch alles andere als unkompliziert.
Levi kann ja mit Fug und Recht von sich behaupten, ein waschechtes Retortenbaby zu sein. Über den genauen Ablauf unserer Kinderwunschzeit an anderer Stelle mehr. Nur soviel möchte ich verraten: vor einem guten Jahr hatte ich Hormone, Punktion und Transfer hinter mir und musste nach einem positiven Schwangerschaftstest erstmal zwei Monate liegen, weil Blutungen auftraten und befürchtet wurde, dass ich den kleinen Wurm verliere.
Das war anstrengend und nervig und ich musste feststellen, dass ich so manche Britt-Folge ohne mit der Wimper zu zucken doppelt gesehen habe ("Leute, bevor es zu spannend für euch wird- er ist der Vater..."), aber es hat sich natürlich sowas von gelohnt! Und ich würde jederzeit auch die doppelt und dreifache Zeit liegen, wenn wieder so ein Knaller wie Levi dabei herauskäme. 
Mit der neuen Rolle als Mutter kamen neben dem überwältigenden Gefühl von Liebe auch neue, völllig ungekannte Ängste. Meine Tante ist im Alter von 35 Jahren an Krebs gestorben und hinterliess zwei kleine Jungs. Ich bin jetzt auch 35 und der Gedanke, mein Kind einer ungewissen Zukunft zu überlassen, ist für mich unerträglich. Obwohl da viele Menschen wären, die sich wunderbar um ihn kümmern würden, könnte doch niemand seine Mutter, mich, ersetzen. So arrogant bin ich dann doch!
Natürlich hat er einen tollen, liebevollen Vater. Und dann sind da Großeltern, Tanten, Onkel, und Freunde, die alle da sein würden. Aber die Mutter ist doch unersetzlich, oder? Es muss ja nicht zwingend die biologische Mutter sein, aber jedes Kind braucht doch eine Mutter, oder eine Mutterfigur! Eine, die es bedingungslos liebt, tröstet, unterstützt, anfeuert und auffängt. Eine die geduldig zuhört, Pflaster klebt, Plätzchen bäckt, Gechichten erzählt, Lieder singt und, ohne mit der Wimper zu zucken, an das Spielzeugtelefon geht wenn es klingelt. Die einen immer spitze findet, auch wenn man mit fünfzehn Make Up wie Alice Cooper und bodenlange Ledermäntel trägst, sich mit achtzehn  einen grünen Ziegenbart stehen lässt und dann zu allem Überfluss mit zwanzig beschliesst, in die FDP einzutreten (das wäre ein hartes Brot, würde ich mir aber mit einer Phase schönreden!). Das klingt jetzt ja doch sehr nach der deutschen Mutter...egal.
So habe ich jetzt eine ganz neue Angst um mich. Nicht wegen mir, sondern wegen Levi. Er braucht mich. Deshalb werde ich jetzt noch mehr als vorher alle Vorsorgen wahrnehmen und mich auch mal ordentlich durchchecken lassen. Sicher ist sicher!

2012/06/11

Lieber Levi,


man darf es ja gar nicht laut sagen, schon gar nicht in Anwesenheit anderer Eltern, aber Du bist ein wirklich guter Schläfer geworden. So gut, dass wir uns schon gefragt haben ob das normal ist. Oder ob Du das Leben mit uns so langweilig findest, dass Du lieber ein Nickerchen nach dem anderen machst. 
Heute morgen bist Du nach einem gesunden 13- Stunden- Schlaf um halb neun aufgewacht und hast überrascht in die Augen Deiner Eltern geblickt, die Dich bereits seit acht Uhr ungläubig anstarrten. Sollte ein Baby einen nicht völlig um den Schlaf bringen? Nachts mehrfach aufwachen und nach Nahrung, einer neuen Windel, Entertainment oder schlaftrunken gelallten Wiegenliedern verlangen? Ist es nicht ein bisschen verkehrte Welt, wenn die jungen (im Sinne von kürzlich gewordenen, nicht im Sinne von altersmässig, hüstel) Eltern darauf warten, dass das Kind endlich aufwacht? Wie auch immer, mir solls Recht sein!
Ich bin ein neuer Mensch, seit ich nicht mehr die halbe Nacht im Sitzen verbringe weil mein Baby lieber auf meinem Arm schläft-die Zeiten sind vorbei! Du liegst zwar mittlerweile zwischen uns und hast für das Beistellbett nur abfällige Blicke übrig, aber ich kann mich wieder halbwegs gemütlich hinlegen und bekomme auch eine ordentliche Mütze Schlaf ab.
Also Levi, danke dafür- toll ist das!
Natürlich darf man das beim montäglichen Babytreff nicht erzählen- sonst wird man am Ende noch von jungen Müttern mit rotgeränderten Augen, die ihren Nachwuchs die halbe Nacht um den Küchentisch getragen haben, heimlich mit einem Stillkissen erstickt.
Also schnaufe ich beim Thema Schlafen lauthals und rolle mit den Augen...ach ach ach, kenn ich.... .
Natürlich nicht, ohne Dir heimlich verschwörerisch zuzuzwinkern!
Jetzt liegst Du schon wieder neben mir und schläfst und schnaufst. Wovon Babies wohl träumen?
Bin neugierig!
Love, Mama

2012/06/10

Das Möhrchenmonster



Alles in allem war die erste Breimahlzeit ein Erfolg. Wieviel von der Möhrenpampe wirklich in seinem Magen gelandet ist, weiß man nicht. Wo sie sonst so verteilt wurde, konnte man dank der schönen Farbe sehr gut sehen! Aber heute war ja auch die Matscherei /der Löffel /der neue Geschmack wichtiger als satt zu werden, da sind wir ja nicht so!
Und es hätte schlimmer kommen können. Immerhin waren nur sein Pulli, mein Pulli, die Hose, die Socken, der Maxi Cosi und der Fussboden mit Brei beschmiert!
Levi schaffte es sogar, mir den Brei katapultartig ins Gesicht zu schiessen- das toppte sogar den Tag, als er mir seelenruhig aufs Bein pinkelte während er nackig auf meinem Schoß saß.
Und das in seinem Alter! Ich bin stolz.

2012/06/06

Liebes Universum,

...danke nochmal für dieses kleine, quietschige Energiebündel.
Wir haben einen Lauf, oder?


2012/06/02

Tante Kerstin

Kerstin war meine erste Freundin in Hamburg. Ich bin zwar ein paar Monate vor ihr dort gelandet, habe mich aber  am Anfang brav auf mein neues Studium an der Akademie Mode Design konzentriert und bin jedes Wochenenende nach Hause gefahren. Als Kerstin ankam, voller Lebensfreude, Energie und dem Drang etwas zu erleben, war die ruhige Zeit vorbei. Was hatten wir für einen Spaß zusammen! Kerstin konnte soviel trinken, dass sie mit dem Barhocker irgendwann einfach hintenüber kippte. Im Fallen schaffte sie es noch, auf einen Fremden zu zeigen und zu nuscheln:"der hat mich geschubst!". 
Kerstin konnte zu Gilbert Becauds "Natalie" Polka tanzen bis der Boden wackelte und war sich nicht zu schade, noch ein, zwei Spagats in der Luft einzubauen. 
Mit Kerstin schaffte ich es, eines morgens bei ihr im Bett mit zwei uns bis dahin völlig unbekannten Männern aufzuwachen. Selbstverständlich waren wir angezogen, wir sind ja Damen! Kerstin trug sogar einen hautengen blau-roten Skipulli aus den 70ern, den sie sich vor dem Schlafengehen noch schnell übergeworfen hatte. Es war übrigens August. Diese beiden Jungs sollten Sterne am Musikhimmel und gute Freunde von uns werden, aber das ist eine andere Geschichte. 
Wir haben nächtelang an ihrem WG-Küchentisch in der Feldstrasse gesessen und "evaluiert" d.h.  literweise Wein getrunken und über das Universum / die Männer / Politik philosophiert. Selbstverständlich ohne brauchbares Ergebnis.
Wir haben zusammen hinter dem Tresen der Weltbühne Cocktails für die Rockstars der Stadt gemixt, um dann am nächsten Tag versteckt hinter riesigen Sonnenbrillen verkatert an den Strand von Timmendorf abzurauschen. Zusammen haben wir Yvonne kennengelernt, die herzlichste Transe vom Kiez, die im Rettungsring eigentlich für die Getränke, aber in Wirklichkeit für die Unterhaltung der Gäste zuständig war. Unvergessen ist das Gesicht unseres männlichen Begleiters, als sie ihm (zum ersten Mal dort und völlig ahnungslos) zuraunte, er könne sich ruhig auf ihren Schoß setzen, denn "zum Glück nehm´ich die Pille, Süßer..."- Herrlich! 
Seitdem ist viel passiert. Wir haben beide geheiratet, lustigerweise innerhalb von drei Wochen, und ich habe ein Baby bekommen. Wir haben die Jobs gewechselt und ich sogar die Stadt. Wir sind beide älter und ein bisschen ruhiger geworden. Etwas hatten wir uns aus den Augen verloren (aber nicht aus dem Sinn), und deshalb war ich höchst begeistert als sie sich über Pfingsten mit ihrem Mann Andrej bei uns zu Besuch ankündigte. Und, was soll ich sagen, es hat sich nix verändert! Gut, die Themen am Tisch sind etwas erwachsener, jetzt sprechen wir auch mal über Hauskredite und unseren Nachwuchs (die beiden: ein Kater; ich: Levi), und das ist ja auch gut so-man ist ja nicht ewig 20 und kann sich stundenlang über die witzigsten Ereignisse der letzten Nacht austauschen (wer ausser uns hat es wohl jemals geschafft, im Blauen Peter auf dem Kiez Hausverbot zu bekommen???Ohne sich zu erinnern wofür????), aber im Grunde war alles wie früher. Die schmutzigen Witze! Die Lautstärke! Ihr donnerndes Lachen! Es war einfach herrlich. Leider blieben die beiden nur eine Nacht, viel zu kurz wenn man sich zwei Jahre nicht gesehen hat. Ich muss unbedingt diesen Sommer mal nach Hamburg fahren- ich vermisse die Stadt-und sie mich auch, da bin ich mir sicher! Ich habe ja schonmal geträumt, ich würde einfach durch die Strassen der Schanze schlendern, an meiner ehemaligen Wohnung vorbei, über das Schulterblatt Richtung Pferdemarkt...ach, das war schön!
Und Dir, lieber Levi, kann ich nur sagen: jeder braucht eine Tante Kerstin. Glück gehabt!