2013/03/25

Post für den Tiger

Im Geburtsvorbereitungskurs hat unsere Hebamme uns damals, im November 2011, in der letzten Sitzung Briefbögen ausgeteilt. Wir sollten unserem noch ungeborenen Kind einen kleinen Brief schreiben, dazu waren zehn Minuten Zeit. Das war gar nicht so einfach, wie fasst man Jahre der Sehnsucht und Monate der Vorfreude in so kurzer Zeit in Worte? Nach einer halben Minute nachdenklichen Kullikauens habe ich einfach drauflosgeschrieben. Herausgekommen ist keine sentimentale Ode an unser Wunschbaby, sondern ein etwas seltsames Gedankensammelsurium. Und über manche Stellen kann ich einfach nur den Kopf schütteln.
Unsere Hebamme hat die Briefe dann eingesammelt und uns nach der Geburt zugeschickt. Mein Mann und ich haben lange überlegt, ob wir die Briefe aufmachen, und uns gegenseitig vorlesen, oder sie Levi ungeöffnet an seinem 18. Geburtstag überreichen sollten. An einem verregneten Nachmittag im letzten Herbst hielten wir es nicht mehr aus: während das Kind friedlich neben uns schlief, öffneten wir vorsichtig die Umschläge.
Hier ist meiner:

Lieber Levi,
wenn ich Dir irgendwann diesen Brief vorlese, hast Du hoffentlich gesund und munter das Licht der Welt erblickt. Deshalb erstmal: Willkommen im Leben!
Wir haben uns so sehr auf dich gefreut. 
Ich hoffe, ich kann Dir eine gute Mutter sein!
Vermutlich werde ich einiges falsch machen, und mit Sicherheit werde ich Dir auch das eine oder andere Mal sehr peinlich sein. Dazu kann ich nur sagen: auch so ist das Leben. 
Aber ich werde mein bestes geben, und dich immer lieb haben. Egal, ob Du mit 15 ein Computernerd oder Gruftie bist, ob Du Dir die Haare grün färbst oder Rollenspiele machst- ich finde alles super. Einzige Ausnahme: Du wirst total konservativ und kleinbürgerlich, damit könntest Du mich wirklich schocken. Rebelliere, aber anders!
Dein Papa und ich werden auf jeden Fall immer für Dich da sein und versuchen, Dich gut auf das Leben vorzubereiten. Bitte sei lieb zu Mrs Murphy, sie ist schon sehr alt und war bist jetzt die größte Diva in unserem Haushalt. 
Eine Menge Menschen haben sich sehr auf Deine Ankunft gefreut. Du bekommst nicht nur tolle Großeltern,eine Urgroßoma, Onkel,Tanten und Cousins, sondern auch noch jede Menge Menschen mit denen Du zwar nicht verwandt bist, die aber ebenso immer für Dich da sein werden.
Wichtig ist: Du kannst alles machen, werden und ausprobieren, wir werden Dich immer und überall unterstützen.
Bis auf Kleinigkeiten wie: Konsum (harter) Drogen, Kleinkriminalität (kommt aber drauf an), Tierquälerei oder einer Karriere bei der NPD.
Heute bin ich in der 37. Schwangerschaftswoche angekommen, und wir können es kaum noch erwarten Dich endlich in den Armen zu halten.
Ich freue mich darauf, die Welt demnächst mit Deinen Augen neu zu sehen und mit Dir zusammen alles wieder zum ersten Mal zu entdecken.

Love, Deine Mama


Kleinkriminalität- KOMMT DRAUF AN????? Was habe ich mir denn dabei gedacht? Haben die Räucherstäbchen in der Hebammenpraxis mich ganz benebelt gemacht?

Verwundert, Blinki

2 Kommentare:

  1. Hihi! Ich finde, er sollte die Briefe auf jeden Fall zum 18. Geburtstag kriegen!

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  2. Ich finde den Brief total super.
    Total schön, wie du ihm mitteilst, dass du ihn nicht zu irgendetwas formen willst und er so geliebt wird, wie er ist.
    Aber der letzte Teil ist echt genial... alleine "Kleinigkeiten" wie...
    harter Drogenkonsum (hihi und wo ziehst du die Grenze zwischen hart und nicht hart *g*), Kleinkriminalität (und in der Tat sehr geil das "kommt drauf an"), Tierquälerei und NPD. Echt voll die Kleinigkeiten *lach*
    Schade, das mit dem Brief ist echt ne nette Idee, ich habe so etwas nicht gemacht :(
    Wär sicher interessant, das nach einigen Monaten noch mal zu lesen.

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