2014/06/01

Auf zu neuen Ufern

Seit ungefähr zwei Wochen sind mein Mann und ich offiziell Eigenheimbesitzer. Woohoo! Nach einem passenden Häuschen für unsere kleine Familie hatten wir ja schon lange gesucht, eigentlich schon seit Levis Geburt, also seit fast zweieinhalb Jahren. 
Auf dem Weg zum Traumhaus haben wir uns unfassbare Bruchbuden angeschaut, bizarre Makler kennengelernt und über manche Preisvorstellungen einfach nur den Kopf geschüttelt. Das es so schwierig werden würde, hatten wir am Anfang nicht gedacht.
Wir wollten doch nur ein kleines Haus auf dem Land! Raus aus der Stadt und rein ins Grüne! Mit Garten und in einer schönen Wohnsiedlung, wo Kinder auf der Strasse Fahrradfahren lernen können und in einer Art Pleasantville (erinnert sich jemand an den Film?) mit weissen Gartenzäunen und hübschen Vorgärten aufwachsen würden. Das kann doch nicht so schwer sein! Leider hatten wir übersehen, dass aufgrund der aktuellen Zinslage ungefähr jeder nach einem Haus sucht, so fühlte es sich jedenfalls an. Und wann immer wir auf Partys oder bei Freunden auf das Thema zu sprechen kamen, erfuhren wir direkt von neuen Konkurrenten auf dem Immobilienmarkt. Diese versuchten wir natürlich sofort auszuschalten ("also in DAS Viertel würden wir ja niemals ziehen!"-(flüster):" hast du gehört, da steht was leer!"). Zwischendurch hatten wir sogar erwogen, die Todesanzeigen der Tageszeitung etwas gründlicher zu studieren, um eventuell den trauernden Nachkommen wenigstens die Sorge um das Haus von Oma Herta abzunehmen. Nun ja, das konnten wir uns dann gerade noch verkneifen. Nachdem wir uns also viele, viele Häuser angeschaut haben, und uns (fast) immer einig waren, dass es das aus verschiedenen Gründen nicht war, da trafen wir auf Anette und Günter. Anette hatte eine Anzeige in der lokalen Tageszeitung geschaltet, in der sie ein 50er Jahre Haus zu einem wirklich günstigen Tarif verscherbeln wollte. Ein wunderschönes Haus mit weissen Fenstern und grossen, alten Bäumen im Garten, zwischen welchen man im Geiste schon die Hängematte sanft im Wind schaukeln sah. Eigentlich habe ich meinem Mann das Foto aber nur gezeigt, weil die Adresse in der Nähe seiner Eltern lag. "Guck mal hier, hihi, bei deinen Eltern wird ein Haus verkauft, verrückt!" Aus Neugier haben wir dann doch angerufen und direkt für den Nachmittag einen Besichtigungstermin vereinbart. Später haben wir erfahren, dass es aufgrund des Spottpreises am ersten Tag direkt 700 Anfragen gab. Bei der Besichtigung entlockten wir der leicht angeschwipsten Anette ausserdem, dass das Haus so günstig ist weil sie selbst von dem Geld nichts hat: das geht alles ans Altenheim ihrer Mutter, welche es verpasst hat, es ihrer Tochter rechtzeitig zu überschreiben, weshalb diese sich gerne mal ein Likörchen genehmigt und ansonsten froh ist, wenn sie mit dem Ding nichts mehr am Hut hat. Da Anette und ihr Mann Günter direkt nebenan wohnen, war ihnen hauptsächlich an netten Nachbarn gelegen, und da kommen wir ins Spiel. Denn wir sind natürlich supernett! Und unsere Kinder erst! Zum Glück hatten wir Levi bei den Grosseltern geparkt und Henri dabei, der schön niedlich aus der Wäsche guckte, Anette über beide Hamsterbacken angrinste und ansonsten wie wir alle so tat, als würde ihm von ihrer Fahne nicht gleich schwindelig. Wir bekamen den Zuschlag sofort, weitere Interessenten (mit Termin!) wurden von Anette resolut weitergewunken ("das Haus ist WEHEG!"). Und wir konnten es nicht fassen: unser Traumhaus! Es ist natürlich alt, aber noch gut in Schuß. Es müssen ein paar Renovierungs- und Sanierungsmassnahmen durchgeführt werden, aber dann ist es genau das, was wir gesucht haben: in einer schönen Gegend, in der Nähe der Großeltern, mit einem überschaubaren Garten und gut aufgeteilt. Ausserdem ein Haus mit Geschichte, mit einer Seele, denn die hat uns bei den Neubauten oder Doppelhaushälften, die wir uns unter anderem auch angeschaut haben, einfach gefehlt.
Es gibt knarzende Dielen und eine schöne Holztreppe, wir lassen schöne Sprossenfenster einbauen und freuen uns schon auf die riesige Dachterrasse. Und das beste ist: Anette und Günter finden uns so sympathisch, dass sie noch ungefähr fünf mal mit dem Preis runtergegangen sind, ohne das wir auch nur einen Ton gesagt haben ("ihr habt euch eine Woche lang nicht gemeldet, da dachten wir, ihr habt es euch anders überlegt- was haltet ihr von 10.000 weniger?"). Selbstredend sind wir schon beim Du, und ich fürchte, ich muss in Zukunft regelmässig mit Anette Eierlikör über den Gartenzaun trinken, aber was tut man nicht alles für die Familie. Jedenfalls haben wir jetzt ein Haus und werden unsere schöne, liebgewonnene Altbauwohnung im Zentrum verlassen um aufs Land zu ziehen. Dann ist es vorbei mit schnell mal ins Kino, ins Theater, in die Kneipe oder "ich hab so Lust auf Tapas, holst du schnell welche bevor der Tatort anfängt?". Aber mal ehrlich: wie oft geht man mit zwei kleinen Kindern noch aus? Ich jedenfalls nicht mehr so viel! Zum Glück habe ich mich in meinen Zwanzigern ordentlich ausgetobt, mittlerweile habe ich ja die Schlafgewohnheiten einer Greisin. Und wenn ich doch mal auf einen Swutsch will, dann quartiere ich mich einfach bei einer Freundin ein, sollte ich aus irgendwelchen Gründen nicht mehr zurückfahren können wollen. Das wird toll!





2 Kommentare:

  1. So - nun bin ich durch! :) Habe alles gelesen und bin begeistert... Eure Geschichte ist wirklich schön und wie du darüber schreibst, bringt mich an vielen Stellen zum herzhaften Lachen und an manchen auch zum gerührten Schniefen.
    Wenn ich von Levis Besenliebe oder seiner Hingabe beim Musizieren lese, find ich meinen Emil da genau so wieder, wie mich, wenn du über die Nerv-Eltern schreibst, deren Kinder sich unsere hoffentlich nicht als Freunde aussuchen oder eben jetzt über den Wunsch nach einem Häuschen auf dem Land. ;)
    Zu eurem gratuliere ich ganz herzlich und freue mich schon auf die Berichte über alles, was da jetzt kommt. Und falls es euch mal ins Rheinland verschlägt, seid ihr bei uns herzlich Willkommen!
    Alles Liebe
    Anne

    Falls es sich irgendwie einrichten lässt, würde ich gern mal Levis und Henris Uromma kennen lernen... ;)

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  2. Alter Blinki, du bist der Hammer. Was für ein genialer Post! Ich habe so gelacht und geschmunzelt. Vielen Dank. Schreib sowas mal häufiger ;)
    Und jetzt bin ich auch mal extrem neidisch!
    Genau sowas wäre ja auch mein Traum. Bei uns wird's aber ein Neubau-Reihenendhaus. Aber wenigstens in einem kleinen neuen Baugebiet, wo auch die Kinder auf der Straße Fahrrad fahren lernen können. So bin ich auch aufgewachsen. Nur noch mit Bach und Feld und Wald hinter'm Haus *schnief*
    Da gibts bei uns nichts. Unsere kleine "Siedlung" wird sicher sehr gemütlich und grün sein, aber drumherum sind dann eben andere Gärten oder Straße.
    Nun, man kann nicht alles haben. Wir haben auch ewig passiv gesucht und als es aktiv los ging, dollen Mist erlebt, sodass wir echt die Schnauze voll hatten und uns für das Reihenhaus entschieden haben. Ach, irgendwann demnächst schaffe ich dazu auch mal nen Post. Dann wirst du es genauer erfahren, falls du ihn liest ;)

    Liebste Grüße
    Jenny

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