2013/11/26

22 Monate, Teil 2

Lieber Levi,
weisst du, was fast das schönste am Mutter-sein ist? Dass ich mit einem Pusten oder einem Küsschen das meiste wieder gut machen kann. Für dich habe ich einfach Superkräfte, und das ist ein tolles Gefühl.
Wenn du dir irgendwo weh tust, kommst du auf dem schnellsten Weg zu mir gerannt, rufst weinend "Mama, aua!" und zeigst anklagend auf die Tischkante oder was auch immer der Übeltäter war. Dann frage ich, wo ich pusten soll und du zeigst mir mit zitternder Lippe die Stelle. "DA!" Kaum habe ich ordentlich gepustet, scheint der Schmerz wie weggewischt und du rennst wieder strahlend los-bereit zu neuen Schandtaten.
Dein Vater und ich finden es unglaublich faszinierend, was du dir in deinem kleinen Köpfchen schon alles merken und abspeichern kannst, was für Kleinigkeiten dich beschäftigen und faszinieren. Letzte Woche im Café hat der Hund meiner Hebamme einmal kurz an deiner Hand geschnuppert. Du fandest das eher semi-gut bis dein Papa anmerkte, dass der Hund dir da ein Küsschen gegeben hat. Seitdem ist kein Tag vergangen, an dem du nicht auf deine Hand gezeigt und "Wauwau, mah!" gemacht hast. Wir hatten diesen Vorfall paraktisch sofort vergessen, aber für dich war das ein einschneidendes Erlebnis. Vielleicht erwähnst du die Begegnung noch in deinen Memoiren! Justin Bieber hat seine ersten auch schon mit 17 herausgebracht. Daran kannst du dich ja orientieren, wenn noch mehr solcher Hammer-Ereignisse auf dich warten! Und davon gehe ich aus. Vielleicht könntest du bei der Gelegenheit auch noch ein ganzes Kapitel deiner aussergewöhnlich gutaussehenden, charmanten, erfolgreichen und niemals die Contenance verlierenden Mutter widmen? No pressure!
Zurück zu dir. Ordnung ist das halbe Leben, und auf Ordnung legst du Wert. Nicht im klassischen Sinne, beispielsweise ein aufgeräumntes Zimmer betreffend, hier bestehst du eher auf dem Prinzip: erst wenn alles, aber auch restlos alles Spielzeug auf dem Boden liegt, kann man sich erst richtig entfalten. Nein, Ordnung heisst für dich zum Beispiel, dass Mama immer auf einem bestimmten Stuhl am Esstisch sitzen soll, Papa ebenso. Tauschen geht nicht, unmöglich! Das gleiche gilt für das Bett. Als dein Vater dich kürzlich in den Schlaf singen wollte und sich unvorsichtigerweise auf meine Bettseite gelegt hat, hast du ihn vehement darauf hingewiesen wer da eigentlich hingehört. "Mama! Da! Mama!" Zum Glück hatte er ein Einsehen und hat sich auf die richtige Seite getrollt.
Überhaupt, das Schlafen. Du schläfst immer noch wie ein Stein, und Mittags auch gerne in deinem eigenen Bett im Kinderzimmer. Abends findest du diese Option allerdings nur mässig bis überhaupt nicht sinnvoll. Und dein Vater und ich haben uns endlich dazu durchgerungen, vollends dazu zu stehen: wir sind und bleiben co-sleeper, und das ist auch gut so! Why change a winning team? Wir finden es einfach gemütlich und praktisch, und du sowieso. In letzter Zeit hast du ab und zu Albträume oder immer noch den ominösen Nachtschreck, und wenn ich mir dann vorstelle jedesmal aufzustehen und ins Kinderzimmer zu rennen um dich zu beruhigen....so reicht es, wenn ich dir im Halbschlaf meine Hand reiche oder etwas leises murmele. Da haben wir alle was davon! Durch die Schwangerschaft bekomme ich gefühlt sowieso schon viel zuwenig Schlaf, den muss ich mir ja nicht noch mehr verkürzen. 
Also ist weiterhin Familienbett angesagt, und für deinen kleinen Bruder stellen wir wieder das praktische Beistellbett auf. Das hast du dir von meinem Arm aus auch immer interessiert angeguckt und dann gemütlich darauf weiter geschlafen. Aber der Kleine, der wird es lieben-ganz bestimmt!  
Du bist und bleibst ein kleiner Sonnenschein, für uns ist es wirklich ein Privileg, dir beim leben und wachsen zuzuschauen. Tanzend, singend, spielend, lachend und Blödsinn machend verbringst du deine Tage. Und langsam fängst du auch an, deine Eltern und deine Umwelt zu testen. Was darf ich? Was nicht? Wie lange dauert es bis Mama "nein" sagt? Wie nah kann ich mich an die Steckdose herantasten? Da? Da? Da? Aha, an der Stelle sagt Mama nein. Meint sie das ernst, oder könnte ich noch ein Stückchen....nein, mist, sie meint das ernst.
Das erfordert viel Geduld und starke Nerven von deinen Eltern. Wir geben uns alle Mühe! Konsequenz ist uns aber bei aller Liebe und Toleranz wichtig. Nein heißt nein, und dabei bleibt es. Das macht uns manchmal auch keinen Spass! Ich verstehe es wirklich am allerbesten und vollkommen, dass man noch einen dritten Keks, mit dem Smartphone spielen oder alleine über die Strasse laufen möchte, aber manches geht in deinem Alter einfach noch nicht. Und man kann auch nicht immer alles haben was man möchte.
Du lernst also auch gerade, dass deine Welt Grenzen hat. Grenzen, die wir uns nicht ausdenken um dich zu ärgern (obwohl du davon hin und wieder garantiert überzeugt bist), sondern um dich zu beschützen und dir Sicherheit zu geben, denn dazu sind Eltern auch da.
Ansonsten möchten wir unbedingt, dass du dich frei entfaltest. Entdecke, bestaune und begreife die Natur und unsere Welt. Wir sind dabei, bei jedem Schritt. Wir feuern dich an und halten deine Hand wenn du das brauchst. Wir lassen dich los, wenn du dich traust. Und wenn du mal stolperst, dann puste ich.
Love, Mama


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